Zwischen Büchern und Tellern

Spontan entscheidet Carlo Bernasconi, was er kocht. Die Einrichtung vom Cucina e Libri verrät viel über seine zwei Leidenschaften: Kochen und Schreiben.

Porträt für Branchen-Zeitung GastroJournal. 15. September 2015.

Bild: Antonia Fischer

Zürich, Seefeld. Wer durch die hohen Glasscheiben des Cucina e Libri blickt, sieht einen Raum mit Regalen an zwei von drei Wänden. Deckenhohe Regale, auf denen Bücher ausgestellt sind. Von aussen sieht das Lokal aus wie eine Bibliothek. Von innen sieht das Lokal aus wie eine Bibliothek. Ein Duft von gerösteten Pinienkernen zieht in den Raum  und plötzlich wird die Bibliothek zum italienischen Restaurant.

Eine Speisekarte gibt es im Cucina e Libri nicht. «Wenn Sie um 18.45 Uhr hier vorbeikommen, erfahren Sie das Menü für den Abend», erklärt Carlo Bernasconi, Inhaber und Koch des Restaurants. Was er koche, entscheide er spontan und intuitiv.

«Wer bei uns vorbeikommt, erfährt das Menü.»

Die Bücherregale, mit denen er das Restaurant eingerichtet hat, verraten viel über Bernasconis Leidenschaften: Kochen und Schreiben. Auf den Regalen sind nur Kochbücher ausgestellt, teilweise hat er sie selbst geschrieben oder in seiner Edition Cucina e Libri selbst verlegt. Sein Kochbuch «La cucina verde», das 2010 erschienen war, wurde zum Bestseller und hat sich über 30000-mal verkauft.

Bernasconi hatte ursprünglich ein Studium zum Diplombersetzer absolviert. Danach folgte eine Ausbildung zum Journalisten an der Ringier-Journalistenschule. Als Branchenjournalist war Bernasconi während 30 Jahren in der Buchbranche und davon auch noch 20 Jahre in der Gastronomie unterwegs. Unter anderem gab er einen eigenen Restaurantführer heraus.

Erst mit 53 Jahren übernahm er das kleine italienische Restaurant im Zürcher Seefeld. Es hiess damals noch «Ristorante Italiano Heimelig» und sah aus wie ein normales 30-plätziges Restaurant.

«Ist der Blutzucker tief, muss die Vorspeise sofort her.»

Mit der aussergewöhnlichen Einrichtung möchte Bernasconi ein Ambiente schaffen, das Bibliothekscharakter hat. Er will seinen Gästen eine Auswahl an Kochbüchern bieten, und gleichzeitig den Büchern eine Plattform: «Man verweilt hier etwas, kann zwischen den Gängen in den Seiten schmökern und Neues entdecken. Es gibt unzählige gute Kochbücher, die in Bücherläden verstauben. Das ist schade. Bücher müssen frontal präsentiert werden – nur so werden sie gesehen!»

Das Cucina e Libri ist praktisch jeden Abend ausgebucht. Wieso ist dieses Lokal so erfolgreich, trotz der starken Konkurrenz im Zürcher Seefeld? Neben sichtbaren Dingen wie frischen Zutaten und einer kleinen Auswahl, die für Qualität spricht, gehört auch das Ambiente zu Bernasconis Erfolgsrezept.

Geprägt wird es nicht nur von der Einrichtung, sondern auch von seinen zwei Servicemitarbeiterinnen. «Ich lege ausserordentlichen Wert auf Mitarbeiterinnen, die freundlich und engagiert sind. Es ist mir deshalb wichtig, sie weit über dem Branchendurchschnitt zu bezahlen.» Obwohl er der Restaurantinhaber und Koch sei, sehe jeder Gast zuerst das Servicepersonal. Dieser Erstkontakt müsse sitzen.

«Der Gast kommt um sieben Uhr hier an, sein Blutzuckerspiegel ist also relativ tief – seine Stimmung vermutlich irgendwo zwischen unleidig und mürrisch.» Es gebe also nur eine Lösung: «Gib ihm sofort was zu trinken, gib ihm sofort ein Stück Brot und bring die Vorspeise gleich nach der Bestellung! Dieses Prinzip halten wir eisern durch.»

«Ich fühle mich hier wohl, die Gäste fühlen sich hier wohl. Mehr braucht es nicht.»

Trotz des grossen Erfolgs von Cucina e Libri denkt Bernasconi nicht ans Expandieren. «Kein Thema», sagt er nur. «Ein gutes Ambiente kann man nicht auf ein zweites Lokal übertragen.»

Ausserdem finde er seine Küche so spektakulär nun auch wieder nicht – er habe die italienische Küche weder erfunden noch massgeblich weiterentwickelt. Er sei zufrieden mit dem Lokal, wie es jetzt sei. «Ich fühle mich hier wohl, die Gäste fühlen sich hier wohl. Mehr braucht es nicht. Punkt.»

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